UNESCO-Weltkulturerbe seit 2021

Die jüdischen Gemeinden der Städte Speyer, Worms und Mainz bildeten im Mittelalter einen Bund, der unter dem Namen SchUM bekannt wurde. Der Begriff SchUM ist ein Akronym aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, auf die hebräische Sprache zurückgehenden Namen der drei Städte:

  • Schin für Schpira (Speyer),
  • Waw für Warmaisa (Worms) und
  • Mem für Magenza (Mainz).

Im Mittelalter war SchUM sowohl in architektonischer als auch in religiöser Hinsicht maßgebend. 
Am 27. Juli 2021 wurden die SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz als serielle Welterbestättten in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen. 

Der Judenhof

Statue der Weisen von Speyer in der Welterbestätte Judenhof
Statue der Weisen von Speyer in der Welterbestätte Judenhof © CCBY-Pfalz.Touristik e.V. - Heimatlichter GmbH

Die Speyerer Welterbestätte, der Judenhof, befindet sich in der Kleinen Pfafffengasse, in unmittelbarer Nähe zum Dom. Der Judenhof war einst der Mittelpunkt der zweiten jüdischen Ansiedlung in Speyer und Ort des religiösen und geistigen Austauschs. In den SchUM-Städten lebten Gelehrte, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt waren. Speyer erlangte im 12. Jahrhundert einen besonderen Ruf als Studienort und eine Gruppe Intellektueller ging als die Weisen von Speyer in die Geschichte ein.

Im Judenhof befinden sich heute die Überreste der 1104 geweihten mittelalterlichen Synagoge mit angrenzender Frauenschul sowie ein Ritualbad. Im benachbarten Haus wurde das Museum Schpira eingerichtet.  

Mittelalterliche Synagioge mit Frauenschul

Personengruppe inmitten von Mauerüberresten
Mittelalterliche Synagoge Judenhof Speyer © Pfalz Touristik e.V., Dominik Ketz

Im 10. und 11. Jahrhundert siedelten erstmals seit der ausgehenden Antike wieder Juden und Jüdinnen am Rhein und begründeten so eine über tausendjährige Geschichte des Synagogenbaus in Deutschland. Die 1104 geweihte Speyerer Synagoge war ein romanischer Hallenbau mit einer Breite von etwa 10,5 Metern und 17,5 Metern Länge. Die Überreste der Synagoge gelten heute als ältester aufrechtstehender jüdischer Kultbau des Mittelalters.
Verschiedene Bauelemente an den jüdischen Kultstätten sind in ähnlicher Form am Dom zu Speyer zu finden und legen die Beteiligung der Handwerker der Dombauhütte nahe. Für die Ansiedlung der Juden und Jüdinnen war ihre Tätigkeit im Handel ausschlaggebend, weshalb sie überwiegend auf dieses Berufsfeld festgelegt waren. Eine handwerkliche Tätigkeit konnten sie nur in Ausnahmen ausüben.
Über die Innenausstattung der Synagoge wissen wir nur wenig. Aus einer Notiz in der rabbinischen Literatur erfahren wir, dass sie einen mit Steinplatten belegten Boden und verglaste Fenster besaß. Spuren der Fensterrahmung sind an den beiden Fenstern der Westwand erhalten.

In Deutschland entstanden zusätzlich zu den Männersynagogen auch solche für Frauen, die Frauenschul genannt werden. In den SchUM-Städten begann man mit dem 13. Jahrhundert Räume an die eigentliche Synagoge anzubauen. Diese waren teilweise, wie etwa in Worms und Speyer, über Schallöffnungen mit der Männersynagoge verbunden, sodass die Frauen am Geschehen teilhaben konnten. 

Die Existenz der Frauenschul lässt die Vermutung zu, dass Frauen innerhalb der jüdischen Gemeinde höher angesehen waren als allgemein angenommen. Abgesehen von den ornamental verzierten Bodenfließen war die Ausstattung eher schlicht gehalten und beschränkte sich auf eine den Raum vollständig umlaufende Sitzbank. 

Das jüdische Gotteshaus wurde während des Pogroms von 1349 geschändet und 1354 mit einigen baulichen Veränderungen wieder in Stand gesetzt. Nach der Vertreibung der Juden und Jüdinnen im frühen 16. Jahrhundert, im Zusammenhang mit dem Umbau zum städtischen Zeughaus, hat man sie endgültig zerstört und den Boden dort mit einem groben Pflaster geschlossen. 

Die Mikwe im Judenhof - das jüdische Ritualbad

Nahezu zeitgleich mit der Synagoge errichtete die Gemeinde das Ritualbad, die sogenannte Mikwe. Es befindet sich unweit der Mittelalterlichen Synagoge und ist die älteste Anlage ihrer Art nördlich der Alpen.

Die Mikwe diente der rituellen Reinigung. Sie wurde hauptsächlich von Frauen nach der Geburt oder Menstruation und vor der Hochzeit genutzt. Gelegentlich gingen auch Männer in die Mikwe.

Ein tonnengewölbtes Treppenhaus führt über einen Vorraum zum in zehn Metern Tiefe gelegenen quadratischen Badeschacht mit Kreuzgratgewölbe. Hier nahmen Gläubige die nach den mosaischen Gesetzen vorgeschriebene kultische Reinigung durch Untertauchen in „lebendes“, das heißt natürlich fließendes, Wasser vor. Über Treppen gelangte man hinab zum eigentlichen Badeschacht, dessen Wasserstand mit dem Grundwasser fiel oder stieg. Fließsand am Boden sorgte dafür, dass sich das Wasser regenerierte. Obwohl das Wasser sehr kalt war, verhinderte eine geringe Strömung das Zufrieren während der kalten Wintermonate.

Die Mikwe ist mit reichen romanischen Ornamenten verziert, die im Mittelalter farbig gefasst waren. Eine zweiteilige Fensterzone öffnet den Blick in den Badeschacht.
Zu ihrem Schutz ist die Anlage heute mit einer Glaskonstruktion überdacht.

Zwei Personen stehen in einem Gemäuer am Fuße einer Treppe
Mikwe, Jüdisches Ritualbad im Judenhof in Speyer © Pfalz Touristik e.V., Sebastian Fachenbach

Die Jeschiwa

mit Pflastersteinen angedeutete Verortung der ehemaligen Jeschiwa im Speyerer Judenhof
mit Pflastersteinen angedeutete Verortung der ehemaligen Jeschiwa im Speyerer Judenhof © TI Speyer, Dörr

Heute nicht mehr zu sehen, aber in ihren Fundamenten noch erhalten und im Boden verborgen, ist die Jeschiwa. Die Jeschiwa ist eine Hochschule, in der sich Studierende vor allem dem Studium von Talmud und Tora widmen. 

In Speyer entstand die Bildungsstätte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Anbau an die Ostwand des Synagogenhofs. Als solcher verdeutlicht die Jeschiwa die Wertschätzung religiösen Lernens und Lehrens im Judentum. Ihre Gestalt lässt sich heute noch an der Umfassungsmauer des Hofareals sowie an der Ostwand der Synagoge erahnen. 

Die unverzichtbare Klammer: Der SchUM-Städte e.V.

Der Verein arbeitet im Verbund mit Land, Ministerien, Fachämtern, Städten, Institutionen, wissenschaftlichen und musealen Einrichtungen, Bildungsträgern, Vereinen und interessierten Privatpersonen sowie Repräsentanten aus dem öffentlichen, politischen, kulturellen Leben im In- und Ausland daran, das jüdische Erbe der SchUM-Stätten weiter zu erschließen, Projekte sowie Maßnahmen zu planen und eine einheitliche Präsentation umzusetzen.

Die Homepage des Vereins bietet ausführliche Informationen zu den SchUM-Stätten der drei Städte und zu historischen Hintergründen sowie detailreiche Erläuterungen zum Thema.

Führungen im Judenhof können über die Tourist-Information gebucht werden. Der Judenhof wird auch im Rahmen des Speyerer Stadtspaziergangs besucht und ist somit Teil der öffentlichen Führungstermine. Über Eintrittspreise und Öffnungszeiten informiert der Verkehrsverein Speyer auf seiner Homepage.  

Lila Logo des SchUM-Stätten Vereins (Speyer, Worms und Mainz) mit den hebräischen Symbolen
SchUM Stätten Logo © SchUM-Stätten e.V.

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